Der MDR1-Defekt beim Hund kann unter Umständen tödlich enden. Daher sind eine umfangreiche Aufklärung und ein erhöhtes Verantwortungsbewusstsein von Hundehaltern und Züchtern erforderlich.
Welche Funktion das MDR1-Gen hat, welche Hunde besonders häufig von einer Mutation betroffen sind und alles Wichtige ist hier nachzulesen.
Die Funktionen des MDR1-Gens
Das MDR1-Gen (die Abkürzung für Multiple-Drug-Resistance-Gen) übernimmt wichtige Funktionen beim Transport von Arzneimitteln im Körper. Es ist verantwortlich für die Produktion des P-Glykoproteins. Dieses Molekül agiert als eine Art Transporter, der Medikamente und Schadstoffe aus den Zellen (insbesondere aus dem Gehirn) hinausbefördert. So stellt das Molekül sicher, dass gefährliche Substanzen das Gehirn nicht erreichen. Potenzielle Schäden werden von einem intakten MDR1-Gen somit verhindert.
Das MDR1-Gen kann daher als ein wesentlicher körpereigener Schutzmechanismus betrachtet werden.
Was bedeutet ein MDR1-Defekt beim Hund?
Eine Mutation im MDR1-Gen führt dazu, dass das P-Glykoprotein nicht synthetisiert wird oder in seiner Funktion beeinträchtigt ist. Dies hat zur Folge, dass bestimmte Arzneimittel die Blut-Hirnschranke passieren können und der Hund überempfindlich auf das verabreichte Medikament reagiert. Der Begriff MDR1-Defekt kann somit mit einer genetischen Medikamentenunverträglichkeit übersetzt werden.
Diese Symptomatik wurde erstmals in den 1990er-Jahren beobachtet, nachdem einige Hunderassen eine übermäßige Reaktion auf Arzneimittel – insbesondere auf das für die Parasitenabwehr verwendete Ivermectin – zeigten.
Auf welche Arzneistoffe reagieren betroffene Hunde überempfindlich?
Wie bereits festgestellt, sind das Medikament Ivermectin und verwandte Präparate für Hunde potenziell lebensbedrohend. Rückstände davon können sich übrigens auch in Pferdeäpfeln befinden und vom Hund oral aufgenommen werden. Daher gilt bei Spaziergängen im ländlichen Raum erhöhte Vorsicht!
Es ist aber wichtig zu wissen, dass Hunde mit einem MDR1-Defekt auch gegenüber vielen weiteren Arzneimitteln überempfindlich reagieren. Dazu zählen unter anderem Medikamente zur Behandlung von
- Krebs (Vincristin, Doxorubicin etc.),
- Durchfall (Loperamid)
- Nervosität (Acepromazin)
- Pilzen (Ketokonazol und Itrakonazol)
- Herzerkrankungen (Digoxin und Digitoxin)
Auch bestimmte Narkose- und Schmerzlinderungsmittel und weitere Arzneimittel können gefährlich werden!
(Eine vollständige Aufzählung von den potenziell lebensgefährlichen Medikamenten für betroffene Hunde ist beim behandelnden Tierarzt nachzufragen.)
Ein Tierarzt sollte daher unbedingt über den MDR1-Defekt beim Hund informiert werden. So kann eine medikamentöse Therapie mit sicheren alternativen Arzneimitteln durchgeführt werden.
Hunderassen, die vom MDR1-Defekt betroffen sind
Der Gendefekt wird vererbt und ist vor allem bei Hütehunden weit verbreitet. Zu den betroffenen Vertretern aus der Kategorie „anerkannte Hunderassen“ gehören:
- Collie (Kurz- und Langhaar)
- Border Collie
- Shetland Sheepdog
- Australian Shepherd
- Barsoi
- Weißer Schweizer Schäferhund
- Bobtail
- Miniatur American Shepherd (Mini Aussie)
- Deutscher Schäferhund
- Australian Kelpie
- (Longhaired) Whippet
Aber auch nicht vom FCI oder VDH anerkannte Hunderassen sind vom Gendefekt betroffen:
- McNab
- Silken Windhound
- Wäller
- English Shepherd
Besonders Collies haben ein nachgewiesen hohes Risiko für einen MDR1-Defekt. Es gibt zudem eine Verbindung zwischen dem MDR1-Gendefekt und dem Merle-Gen, das zum Beispiel bei einigen Collies und Aussies für das charakteristische gefleckte Fellmuster verantwortlich ist. Auch Kreuzungen aus den oben genannten Hunderassen, wie zum Beispiel ein Border-Collie-Aussie-Mix, können Träger des MDR1-Defekts sein.
MDR1-Defekt beim Hund: Symptome und Auswirkungen
Kommt ein Hund mit MDR1-Defekt nicht mit den genannten Medikamenten in Berührung, macht sich seine genetische Anomalie nicht bemerkbar. Wurden einem Hund mit defektem MDR1-Gen bestimmte Arzneimittel aber verabreicht, kann es schnell gefährlich werden. Es können leichte, mittelschwere bis hin zu lebensbedrohliche Symptome auftreten. Dazu zählen:
- Muskelzittern
- Krämpfe
- Erbrechen
- Durchfall
- Appetitlosigkeit
- vermehrter Speichelfluss
- erweiterte Pupillen
- schnelles, flaches Atmen bis zur Atemnot
- Bewegungsstörungen
- Koma
Leider führt die Verabreichung der genannten Medikamente in vielen Fällen zum Tod des Hundes.
Hund hat MDR1-Defekt und zeigt Symptome nach Medikamentengabe: Was tun?
Bei Vergiftungssymptomen oder Überempfindlichkeitssymptomen handelt es sich immer um einen tierärztlichen Notfall. Der Hund sollte ohne Verzögerung in eine Tierarztpraxis gebracht werden. Am besten ist es, den Besuch telefonisch anzukündigen, sodass das Personal alle notwendigen Vorkehrungen treffen kann. Ein Gegenmittel gibt es leider derzeit nicht. Ob der Tierarzt dem Patienten helfen kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Vor allem die Schwere der Symptome ist hierbei entscheidend.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es zu diesem Albtraum-Szenario nicht kommen muss. Überreaktionen auf bestimmte Medikamente sind vermeidbar – Prävention ist das beste Mittel. Daher ist es wichtig, den Defekt rechtzeitig zu diagnostizieren und die riskanten Wirkstoffe zu vermeiden.
MDR1-Defekt beim Hund: Diagnose
Durch einen einfachen Gentest lässt sich die Diagnose MDR1-Defekt beim Hund schnell und zuverlässig ermitteln. Bei diesem Test wird das MDR1-Gen identifiziert und auf Defekte überprüft.
Die Testergebnisse sehen wie folgt aus:
- MDR1 (-/-): Hund verfügt über zwei gesunde Kopien des MDR1-Gens und somit besteht (in der Regel) kein Risiko für eine Überempfindlichkeit.
- MDR1 (-/+): Hund weist eine gesunde und eine defekte Kopie des MDR1-Gens auf – es besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass er den Defekt auf seine Nachkommen überträgt. Bereits hier kann der Hund überempfindlich auf bestimmte Wirkstoffe reagieren – höchste Vorsicht ist geboten!
- MDR1 (+/+): Hund hat zwei defekte Kopien des MDR1-Gens – besonders hohe Empfindlichkeit gegenüber den problematischen Wirkstoffen und eine 100-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass er diesen Defekt auf seine Nachkommen überträgt.
Es ist empfehlenswert, den Test gemeinsam mit dem Tierarzt in Angriff zu nehmen. Im Behandlungszimmer entnimmt das tierärztliche Personal eine Blutprobe und einen Wangenabstrich. Das entnommene Material wird danach in ein tiermedizinisches Labor geschickt und in der Regel liegen die Testergebnisse einige Werktage später vor. Für sichere und medizinerfahrene Hundehalter gibt es aber auch die Option, direkt mit einem Labor oder einer tierärztlichen Uniklinik Kontakt aufzunehmen oder den Test mit einem Online-Dienstleister durchzuführen.
Wie lassen sich MDR1-Defekte in der Hundezucht vermeiden?
Die Hundezucht ist mit einer großen Verantwortung verbunden. Deshalb sollten alle Züchter vor der Verpaarung potenzielle Elterntiere auf den MDR1-Defekt testen und Träger von der Zucht ausnahmslos ausschließen. Einige Zuchtverbände, wie zum Beispiel der VDH, haben spezielle Regelungen für die Zucht von risikobehafteten Hunderassen eingeführt.
Hobbyzüchter sollten sich ihrer Verantwortung gleichermaßen bewusst sein und den Gentest als eine grundlegende Voraussetzung für ihre Zucht integrieren. Mit einer strengen Auswahl und verantwortungsvollen Zuchtentscheidungen können die gefährdeten Hunderassen wieder zu einer gesünderen Zukunft geführt werden. Schließlich standen Collies, Schäferhunde und Co. ursprünglich für Widerstandsfähigkeit, Ausdauer und Stärke. Es wäre für diese Hunde mehr als wünschenswert, wenn sie wieder zu ihrer vorigen Robustheit zurückkämen.
Empfehlungen für zukünftige Hundebesitzer
Interessieren Sie sich für eine Hunderasse, bei der ein gewisses Risiko für den Defekt vorliegt? Dann ist es unbedingt zu empfehlen, bei der Wahl des Züchters auf vorige Gentests zu achten. Interessenten sollten dabei sicherstellen, dass sie die Testnachweise in den Händen halten. Mündliche Versprechungen, wie zum Beispiel: „Ich züchte schon seit 20 Jahren und wir hatten bis jetzt keine Probleme mit dem MDR1-Defekt!“ sind selbstverständlich nicht ausreichend.
Es gibt leider immer noch einige Interessenten, die von dem MDR1-Defekt noch nichts gehört haben. Daher ist es wichtig, sich umfassend mit den Rassedispositionen (bei allen Hunderassen) vorab auseinanderzusetzen. Eine sinkende Nachfrage nach Collies, Aussies und Co. aus Hobbyzuchten ohne nachweisbare MDR1-Gentests der Elterntiere kann ein wichtiger Schritt für die Gesundheit der Hunderassen darstellen. Verantwortungsbewusste Hundekäufer tragen dazu bei, dass die Zucht allgemein gesünder und nachhaltiger wird und unnötige Risiken für Hunde vermieden werden.
Solche Gentests gehen mit erhöhten Preisen für Welpen aus der Rassezucht einher. Aus diesem Grund sollten Interessenten nicht an falscher Stelle sparen. Dieser Ratschlag ist nicht nur zu beherzigen, um zukünftige Tierarztrechnungen einzudämmen. In erster Linie steht die Gesundheit der Hunde im Mittelpunkt und sollte in der Zucht oberste Priorität haben.