Werbung

Tierarzt Dr. Stephan Baumeister
© Carola Schiller / wa.de

Hohe Kosten beim Tierarzt: „Mittwochnachmittag habe ich die 40-Stunden-Woche voll“

von Stefanie Gräf

Am veröffentlicht

Abzocke oder Notwendigkeit? Viele Tierhalter sind wütend über die Kostenexplosion. Doch ein Insider enthüllt die bittere Wahrheit hinter den Kulissen.

Wer heute mit seinem Hund oder der Katze zum Tierarzt muss, zuckt an der Kasse oft zusammen. Seit 2022 sind die Gebühren explodiert, für viele Halter ist die medizinische Versorgung des tierischen Lieblings kaum noch stemmbar. Wut und Verzweiflung entladen sich oft am Tresen der Praxis. Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt eine ganz andere Wahrheit: Ohne diese Preise gäbe es viele Praxen gar nicht mehr.

Dr. Stephan Baumeister aus Hamm nimmt im Gespräch mit wa.de kein Blatt vor den Mund. Wer glaubt, Tierärzte würden sich an den neuen Gebühren eine goldene Nase verdienen, irre gewaltig.

Schluss mit der Ausbeutung

In Baumeisters Großpraxis arbeiten acht Ärzte und 15 Mitarbeiter im Schichtdienst. Sein eigenes Pensum ist brutal: „Mittwochnachmittag habe ich die 40-Stunden-Woche voll.“ Von Work-Life-Balance kann der Chef nur träumen. Doch der Tierarzt macht klar: Der Betrieb wäre ohne die Anpassung der Gebührenordnung – die erste seit 1999! – längst kollabiert.

Die Zeiten, in denen junge Assistenzärzte wie er früher 80 Stunden die Woche arbeiteten, oft unbezahlt („um Erfahrungen zu sammeln“), seien vorbei. Und das ist auch gut so. Heute fordere das Personal faire Löhne und geregelte Arbeitszeiten. Das kostet Geld. Geld, das erwirtschaftet werden muss.

High-Tech rettet Leben

Aber wohin fließt das Geld der Tierhalter wirklich? „Es ist fast wie in der Humanmedizin“, erklärt der 55-Jährige. In seiner Praxis stehen Farbdoppler-Ultraschallgeräte, mit denen Herzerkrankungen so präzise erkannt werden wie in einer Herzklinik für Menschen.

Das Ergebnis: Frühere Diagnosen, gezielte Therapien, weniger „Placebo-Behandlungen“. „Die Tiere werden heute älter“, beobachtet Baumeister. Der Preis für dieses geschenkte Leben ist hoch, aber er ist real.

„Wir sind die Anwälte der Tiere“

Doch was passiert, wenn am Ende des Geldes noch zu viel Behandlung übrig ist? Hier wird es emotional. Immer wieder stehen Halter vor ihm, denen die Kosten über den Kopf wachsen. Doch Baumeister stellt klar: Ein Tierarzt ist kein Vollstrecker des Geldbeutels. „Wir sind die Vertreter der Tiere“, sagt er mit Nachdruck. Ein Tier einschläfern, nur weil die Behandlung zu teuer ist? Das lehnt er aus ethischen Gründen ab.

Gleichzeitig warnt er vor falscher Tierliebe: Es gehe nicht darum, Leben um jeden Preis zu verlängern, sondern Lebensqualität zu erhalten. Wenn Heilung nicht mehr möglich ist, leidet der Arzt selbst mit. „Das nehmen wir auch mit ins Private“, gesteht er. Ein Tier, das man jahrelang begleitet hat, gehen zu lassen, sei auch für den Profi schwer.

„Nicht mal eine Plastikente“ mehr

Doch bei vielen Tierhaltern stoßen die Argumente der Ärzte auf taube Ohren – der Frust in den Kommentarspalten ist riesig. „Ich habe vor der neuen Gebührenverordnung noch nie einen armen Tierarzt gesehen“, schimpft ein Nutzer im Netz und wirft der Branche pure „Geldgeilheit“ vor.

Ein anderer berichtet fassungslos von seinem letzten Besuch: „Einmal reingeschaut, Tropfen verschrieben... zack! 240 Euro! Vor ein paar Jahren war das für 60 Euro noch zu tragen.“ Die drastisch gestiegenen Kosten und die damit explodierenden Versicherungsbeiträge führen zu einer bitteren Konsequenz.

Viele kündigen an, nach ihrem jetzigen Tier nie wieder eines anzuschaffen. „Danach kommt mir nicht mal eine Plastikente ins Haus“, resümiert ein ehemaliger Tierfreund resigniert. Die düstere Prognose der Kritiker: Wenn es so weitergeht, schaffe sich die Branche selbst ab – weil sich bald niemand mehr ein Tier leisten kann.

Die „Wundertüten“ aus dem Ausland

Baumeister hat einen dringenden Appell an alle, die sich „blauäugig“ ein Haustier anschaffen – besonders Tiere aus dem Auslandstierschutz, die oft medizinische „Wundertüten“ sind und schnell zu teuren Dauerpatienten werden. „Legt jeden Monat Geld zurück!“, rät er.

Für eine Sache hat der erfahrene Mediziner allerdings absolut kein Verständnis: Tierhalter, die am Tresen um Ratenzahlung für die Behandlung betteln, aber gleichzeitig eine teure Einzelkremierung für ihr verstorbenes Tier buchen. Hier würden die Prioritäten seiner Ansicht nach oft nicht mehr stimmen.

Der Rat des Tierarztes: Weniger auf Social Media hören, mehr auf das eigene Bauchgefühl und den Experten vertrauen, der fünfeinhalb Jahre studiert hat, um genau eines zu tun: Leid verhindern.

Mehr Nachrichten über...

Wie findest du diese Geschichte?

Vielen Dank für das Feedback!

Vielen Dank für das Feedback!

Dein Kommentar:
EInloggen zum Kommentieren
Möchtest du diesen Artikel teilen?