Der Satz „Ich hasse Katzen“ sorgt bei vielen Tierfreunden für instinktives Unbehagen. Doch womöglich ist dieses Gefühl mehr als nur persönliche Abneigung.
Auf TikTok geht derzeit eine Theorie viral, die eine düstere Verbindung zieht: Wer Katzen nicht nur „nicht mag“, sondern regelrecht verachtet, könnte ein massives psychisches Problem haben. Ist der Katzen-Hass wirklich die ultimative „Red Flag“?
Die Katzen-Frage beim ersten Date
Wenn beim ersten Date das Thema auf Haustiere kommt und das Gegenüber voller Inbrunst erklärt, dass Katzen furchtbar seien, sollten die Alarmglocken schrillen. Zumindest, wenn es nach der Gesundheitsbloggerin und TikTokerin Vreni Frost geht.
In einem viralen Video stellt sie nämlich die steile These auf: Dieser Hass sei oft ein Indikator für narzisstische Persönlichkeitszüge.
Warum Katzen Narzissten triggern
Die Logik hinter dieser „TikTok-Psychologie“ klingt so simpel wie einleuchtend: Es geht um Kontrolle. Ein Hund ist in der Regel ein Wesen, das gefallen will. Er lässt sich dressieren, kommt auf Kommando und himmelt seinen Menschen an. Eine Katze hingegen macht, was sie will.
„Katzen setzen Grenzen, Katzen lassen sich nicht kontrollieren“, erklärt Frost in ihrem Video. Und genau hier liege der Trigger für Menschen mit psychopathischen oder narzisstischen Tendenzen. Narzissten brauchen Bestätigung und Kontrolle.
Ein Lebewesen jedoch, das Nähe nur zu seinen eigenen Bedingungen zulässt und Zuneigung auch mal verweigert, ist für ein fragiles Ego kaum zu ertragen. „Katzen spiegeln, ob man Grenzen respektiert“, so die Bloggerin. Wer Katzen hasst, hat also womöglich ein Problem damit, ein „Nein“ zu akzeptieren.
Vorsicht vor der „Instagram-Diagnose“
Doch bevor nun jeder Hundeliebhaber, der mit Katzen fremdelt, pathologisiert wird, lohnt ein Blick auf die fachliche Einschätzung. Die Diplom-Psychologin Sandra Jankowski warnt im Gespräch mit petbook.de davor, komplexe Persönlichkeitsstörungen allein anhand von Haustier-Vorlieben zu diagnostizieren.
„Diese Aussagen sind pauschal“, stellt Jankowski klar. Sie weist zudem auf ein spannendes Paradox hin: Gerade Narzissten nutzen oft solche pauschalen Verurteilungen, um andere zu manipulieren. Social Media spielt hier geschickt mit Emotionen: Nutzer liken das Video, weil sie sich erleichtert fühlen – nach dem Motto: „Ich mag Katzen, also bin ich kein Narzisst“. Das stärkt das Selbstbild, hat aber mit einer echten Diagnose wenig zu tun.
Studie widerlegt das Klischee
Was sagt die Forschung dazu? Ist an der Theorie gar nichts dran? Eine Studie aus dem Jahr 2023, veröffentlicht im renommierten Fachmagazin „Frontiers in Psychology“, hat 259 Tierhalter genau unter die Lupe genommen. Das Ergebnis ist überraschend komplex und zeigt: Es gibt nicht „den“ einen Narzissten.
Die Forscher unterschieden drei Facetten des Narzissmus, und die Ergebnisse könnten unterschiedlicher nicht sein:
Antagonismus (Feindseligkeit)
Das ist der Typus, der oft gefürchtet wird. Diese Menschen sind feindselig, fühlen sich überlegen und haben wenig Empathie. Die Studie bestätigt: Ja, diese Gruppe mag tatsächlich keine Tiere. Sie haben oft eine negative Einstellung zu Haustieren und empfinden sie als Belastung. Hier könnte die „Red Flag“ also tatsächlich stimmen.
Agentic Extraversion (Bewunderungssuche)
Diese Narzissten wollen im Mittelpunkt stehen. Überraschenderweise hatte dies in der Studie keinerlei Einfluss auf die Tierliebe. Ob sie Katzen oder Hunde mögen, ist völlig unabhängig von ihrem Geltungsbedürfnis.
Narzisstischer Neurotizismus (Verletzlichkeit)
Und hier kommt der große Twist! Es gibt den sogenannten „verletzlichen Narzissten“, der emotional unsicher ist. Die Studie zeigte, dass diese Gruppe oft eine besonders starke Bindung zu Tieren hat.
Da Menschen sie oft enttäuschen, geben Tiere ihnen den Trost und die emotionale Sicherheit, die sie brauchen. Ein Narzisst kann also durchaus ein liebevoller Tierhalter sein.
Fazit: Hass ist das Problem, nicht die Vorliebe
Was bedeutet das für die Einschätzung von Mitmenschen? Entwarnung für alle Hundefans: Nur weil jemand mit Katzen nichts anfangen kann, ist er kein Monster.
Sandra Jankowski betont, dass man von der Haustier-Präferenz nicht automatisch auf die Persönlichkeit schließen kann. Auch ein Mensch mit unsicherer Bindung zu Menschen kann ein liebender Tierhalter sein.
Aber: Wenn jemand Tiere grundsätzlich hasst, schlecht über sie redet oder aggressiv auf die Unabhängigkeit einer Katze reagiert – dann ist das tatsächlich ein Warnsignal. Nicht unbedingt, weil es sich um einen klinischen Narzissten handelt, sondern weil Empathie für ein anderes Lebewesen eine Grundvoraussetzung für jede gesunde Beziehung ist. Ob dieses Lebewesen nun bellt oder miaut, ist dabei zweitrangig.