Im Tierheim Essen ist der Herbst traditionell eine anstrengende Zeit. Zahlreiche Tiere werden abgegeben, viele trächtig, viele krank. Doch was sich Anfang Oktober dort abspielte, übertrifft alles, was die erfahrenen Mitarbeiter bislang erlebt haben.
Wieder wird eine – angeblich gefundene – Katze im Tierheim abgegeben. Bevor jemand nachfragen kann, drückt die Person den Transportkorb in die Hände einer Tierschützerin und verschwindet. Was niemand in diesem Moment sieht: Im Inneren des Korbes spielt sich gerade ein unfassbares Drama ab!
Die schockierende Entdeckung
Die Szene, die sich den Tierheim-Mitarbeitern bietet, ist surreal. Im Korb liegt eine erschöpfte Scottish-Fold-Katze, neben ihr ein winziges, noch nasses Kätzchen. Und der Geburtsprozess war noch längst nicht vorbei!
Die Tierschützer reagierten sofort. Sie bringen die Katze in einen warmen Raum, legen Decken bereit und hoffen, dass sie und ihr Nachwuchs es schaffen.
Kurz darauf setzt die nächste Wehe ein. Und noch eine. Innerhalb weniger Stunden bringt die Katze fünf weitere Babys zur Welt – ohne tierärztliche Hilfe. „Alle sind gesund“, erzählt Andrea Busch, stellvertretende Tierheimleiterin, im Gespräch mit DER WESTEN erleichtert. „Wir konnten es kaum glauben.“ Doch die Erleichterung hält nicht lange.
Das Röntgenbild zeigt: etwas stimmt nicht
Wie bei allen neu aufgenommenen Tieren machen die Tierpfleger eine gründliche Untersuchung. Dabei fällt etwas auf: Die Katze bewegte sich steif, als hätte sie Schmerzen. Um sicherzugehen, wird ein Röntgenbild gemacht und das Ergebnis ist niederschmetternd.
Die Knochen der Katze zeigen deutliche Deformationen – ein typisches Anzeichen der Qualzucht-Rasse Scottish Fold. Die niedlichen, nach vorn geklappten Ohren, die viele Menschen so charmant finden, sind das Resultat einer genetischen Mutation. Sie verursacht chronische Knochen- und Gelenkschäden, ein Leben lang.
Süßes Leid: Wenn Schönheit Schmerz bedeutet
Die Scottish Fold gilt als besonders beliebt in sozialen Netzwerken – wegen ihres „kindlichen“ Aussehens. Doch genau dieses Merkmal ist ihr Fluch. Die Mutation, die für die gefalteten Ohren sorgt, betrifft den gesamten Knorpel- und Knochenaufbau. Viele Tiere leiden schon früh unter Arthrosen, Lahmheit und starken Schmerzen.
Auch Ariel – so wurde die Katzenmama getauft – wird wohl ihr Leben lang Medikamente brauchen. „Dass sie ihre Babys trotz der Schmerzen so liebevoll versorgt, ist fast unglaublich“, findet Andrea Busch.
Eine Familie auf Zeit
Im Tierheim bekommen Ariel und ihre fünf Kitten nun Ruhe, Wärme und alles, was sie brauchen. Noch sind die Kleinen namenlos und sie werden es auch bleiben, bis sie zwölf Wochen alt sind. Erst dann können sie nämlich vermittelt werden.
Trotz aller Belastung überwiegt bei den Tierheim-Mitarbeitern die Dankbarkeit: „Wenn wir solche Tiere retten können, wissen wir wieder, warum wir das alles machen“, sagt Busch.