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Hundehochzeit in China
© NDR / daserste.de

Hundehochzeiten in China liegen voll im Trend

von Stefanie Gräf

Am veröffentlicht

„Wau-Wau“ statt Ja-Wort: In China werden Haustiere immer mehr vermenschlicht. Der neueste Trend sind Hundehochzeiten - ein gesellschaftliches Symptom.

In einem kirchenähnlichen Gebäude im Osten Chinas wird feierlich geheiratet – doch es sind keine Menschen, die hier vor den Altar treten. Die Hauptdarsteller des Tages: zwei Golden Retriever, begleitet von stolzen "Eltern", die ihre Hunde liebevoll als „Kinder“ bezeichnen.

Die Braut wartet in schneeweißem Kleid, der Bräutigam zeigt wenig Regung – vielleicht auch, weil er nicht weiß, worum es gerade geht. Dennoch: Der Moment ist inszeniert wie aus einem romantischen Film.

China: Hundehochzeiten sind angesagt

„Seid ihr bereit, einander zu heiraten?“, fragt der Zeremonienmeister. Statt „Ja, ich will“ heißt es hier: „Wenn ihr einverstanden seid – Fressi, Fressi!“ Dann wird ein Ring überreicht, der die „lebenslange Liebe“ besiegeln soll. Die Gäste lachen, die Kameras klicken.

Schau dir das an:

Die menschlichen „Eltern“ der Hunde haben die Vierbeiner bewusst zusammengebracht und verfolgen dabei durchaus traditionelle Vorstellungen: „Wenn der Mann drei Jahre älter ist als die Frau, dann wird sie reich sein. Ein Grund für die Anziehung ist also auch die Sicherheit und Stabilität, die mein Hund bietet", erklärt einer der Halter.

Die Hochzeit, organisiert von einer spezialisierten Agentur für Haustier-Events, ist nicht nur ein Highlight für die Tierhalter – sondern Teil eines boomenden Marktes. Torte, Blumenschmuck, Kleidung und Fotoproduktion: bei der Hundehochzeit wird nichts dem Zufall überlassen. Alles dreht sich um das perfekte Fest für die Vierbeiner.

Haustiere statt Kinder: Ein Milliardengeschäft wächst

Was zunächst skurril klingt, ist in Wahrheit Teil eines gesellschaftlichen Wandels. Immer mehr junge Chinesen verzichten auf Kinder – und investieren stattdessen Zeit, Geld und Emotionen in ihre Haustiere.

Mode, Pflege, Spa-Behandlungen, teure Fahrdienste und sogar Hundekindergärten gehören zum Alltag. Die Branche wächst rasant, denn Hunde und Katzen gelten für viele als gleichwertiger Ersatz für Familiengründung.

Junge Chinesen: Zwischen Karriere und Kinderersatz

Haustiere werden zum Mittelpunkt vieler junger Leben – besonders in den Großstädten, wo teure Mieten und beruflicher Druck das traditionelle Familienmodell zunehmend unattraktiv erscheinen lassen.

Statt Babyfotos werden dann in den sozialen Medien Outfit-Bilder des Hundes gezeigt. Ein Kind wäre eine zu große Verantwortung, so denken viele in China. Ein Hund dagegen gibt Nähe, Liebe – und ein Gefühl von Fürsorge.

Die Schatten der Ein-Kind-Politik

Die gesellschaftlichen Ursachen liegen tiefer. Jahrzehntelang bestimmte die Ein-Kind-Politik das Leben chinesischer Familien. Heute sind viele junge Erwachsene Einzelkinder – aufgewachsen mit hohen Erwartungen, hohem Leistungsdruck und wenig zwischenmenschlicher Erfahrung.

Beziehungen erscheinen oft kompliziert, Haustiere dagegen unkompliziert und loyal. Sie stillen emotionale Bedürfnisse in einer überfordernden Welt.

Ein Land mit leerem Nest?

China steht vor einer demografischen Krise: sinkende Geburtenrate, rückläufige Bevölkerung – und eine Jugend, die lieber Hunde verheiratet und ihnen schicke Outfits kauft als Kinder bekommt.

Der Geburtenforscher Yi Fuxian warnt in seinem Buch „Großes Land, leeres Nest“ vor den Folgen. Haustiere als Kinderersatz seien ein Symbol für tiefgreifende gesellschaftliche Umbrüche – und ein stiller Protest gegen traditionelle Familienbilder.

Hundehochzeiten: Mehr als nur ein Trend

Hundehochzeiten in China sind nicht nur süß oder kurios – sie zeigen, wie stark sich dort das Verhältnis zu Familie, Verantwortung und Gemeinschaft verändert hat.

In einer Welt, in der das echte „Glück“ oft schwer zu greifen ist, wird der treue Blick eines Vierbeiners zum Anker im Alltag. Und vielleicht zur einzigen Liebe, der man noch ganz vertraut.

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