Es ist kurz nach Mitternacht, als schwer bewaffnete Polizisten ein unscheinbares Gebäude im Norden Bosniens umstellen. Sie haben einen Tipp bekommen von Nachbarn, die Schreie gehört haben. Doch niemand ist darauf vorbereitet, was hinter den Wänden tatsächlich passiert.
Als die Polizisten die Tür aufbrechen, herrscht für Sekunden Stille, dann keimt Entsetzen auf. Vor den Augen der Ermittler spielt sich ein Bild des Grauens ab. „Selbst erfahrene Beamte mussten sich abwenden“, sagt ein Ermittler später.
Ein Netzwerk aus Gewalt und Gier
Im Gebäude sehen sich die Einsatzkräften konfrontiert mit blutverschmierten Käfigen, verstörten und sogar toten Hunden. Auf einem Sessel liegt ein geschwächter Husky, in Decken gehüllt, kaum noch am Leben.
Die Polizei entdeckt bei der Razzia 84 Personen in dem Gebäude, Männer aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kroatien und Montenegro. 14 Verdächtige werden festgenommen, der Rest vorerst als Zeugen vernommen. Schnell wird klar: Es handelt sich nicht um Einzeltäter, sondern um ein weitverzweigtes Netzwerk, das über Ländergrenzen hinweg agierte.
Im Keller finden die Beamten Bargeld, Drogen und blutige Spuren der Hundekämpfe. Die Tiere wurden gezwungen, gegeneinander anzutreten. Der Einsatzleiter berichtet: „Manche Tiere waren kaum noch zu erkennen. Ihre Körper erzählen, was sie durchgemacht haben.“
Schon mit sechs Euro konnten Zuschauer auf die Kämpfe wetten. Für die Täter war es ein Spiel, ein Zeitvertreib – für die Tiere die Hölle.
Bilder, die das Herz zerreißen
Später veröffentlicht die Polizei Fotos des Einsatzes: Ein Hund blickt mit leerem, glasigen Blick in die Kamera. Ein anderer liegt zusammengerollt in einem rostigen Käfig, die Halswunde tiefrot. In einem Video sind Dutzende Männer zu sehen, gefesselt, mit gesenktem Kopf, umringt von Polizisten in Schutzwesten.
Diese Bilder gehen viral, lösen Entsetzen und Wut aus. Und sie werfen eine Frage auf: Wie konnte das alles so lange unentdeckt bleiben?
„Das Leid hört nie auf“
Während die Ermittlungen laufen, meldet sich eine Schweizer Tierschützerin zu Wort, die seit Jahren auf dem Balkan aktiv ist. „Wir können diese Netzwerke zerschlagen, aber das Leid der Straßenhunde bleibt“, sagt sie im Gespräch mit tagesanzeiger.ch.
Ihr Verein bildet Tierärzte aus, rettet verletzte Hunde und kämpft gegen das Wegsehen. „Es fehlt in vielen Dörfern an Bewusstsein. Tiere werden noch immer als Sachen gesehen, nicht als Lebewesen“, erklärt sie.
Die Strafen bleiben mild
Die mutmaßlichen Täter müssen sich wegen Tierquälerei, Misshandlung und Drogenhandels verantworten. Nach bosnischem Strafrecht drohen ihnen maximal zwei Jahre Haft, eine Strafe, die viele als Hohn empfinden.
„Wer Tiere so behandelt, begeht kein Kavaliersdelikt“, sagt ein Sprecher einer Tierschutzorganisation. „Es ist organisierte Gewalt – und sie muss endlich auch so bestraft werden.“
Was jetzt passiert
Die geretteten Hunde werden aktuell medizinisch betreut. Viele sind abgemagert, manche schwer verletzt, einige psychisch gebrochen. Tierschützer hoffen, sie in sichere Heime zu vermitteln – weit weg von den Orten ihres Leidens.
Doch klar ist: Der Fall von Derventa ist kein Einzelfall. Hundekämpfe gelten auf dem Balkan als „verbotenes Hobby“, doch sie sind lukrativ und tief in kriminelle Strukturen verstrickt.