Im Franziskus Tierheim in Hamburg-Lokstedt schrillen die Alarmglocken. Immer mehr Hunde landen dort – nicht, weil sie alt oder krank sind, sondern weil sie „auffällig“ oder „aggressiv“ sind. Oder weil sie schlichtweg überforderte Halter haben.
„Wir erleben derzeit eine Welle von Hunden, die in Haushalten völlig überfordert sind – und am Ende bei uns landen“, sagt Tierheimleiter Frank Weber, bekannt auch aus der VOX-Sendung Hundkatzemaus. Die Situation spitze sich zu. Die betroffenen Tiere blieben oft jahrelang im Heim, weil sie schwer vermittelbar seien.
Die Welle, die niemand kommen sah
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Das Franziskus Tierheim vermittelt jährlich 180 bis 200 Hunde, hat aber nur Platz für maximal 30 Tiere gleichzeitig. Ein Engpass, der durch die neuen Problemfälle dramatisch verschärft wird.
Weber sieht die Ursachen in einer Mischung aus Unwissen, Schönfärberei – und dem Wunsch nach dem „perfekten“ Hund. „Viele Halter unterschätzen, welche Anforderungen bestimmte Rassen stellen. Tiere, die für Schutz, Jagd oder Herdenschutz gezüchtet wurden, brauchen Aufgaben – fehlt diese Auslastung, entwickeln sie oft problematisches Verhalten.“
Wenn Träume zu Albträumen werden
Es gehe nicht nur um große, kräftige Tiere. Auch kleine Hunde wie der Havaneser "Bodhi" seien betroffen. Bodhi sieht mit seinem wuscheligen Fell aus wie ein Kuscheltier – verhält sich aber ganz anders.
„Er braucht erfahrene Menschen, die ihm klare Grenzen setzen“, erklärt Weber. „Er muss behandelt werden wie ein Großer – denn auch kleine Hunde sind keine Plüschtiere.“ Seine frühere Halterin, eine ältere Dame, war mit seinem Verhalten heillos überfordert.
Schönheit ist viel zu oft wichtiger als Charakter
Ein zentrales Problem: Viele Menschen entscheiden sich nach dem Aussehen eines Hundes – nicht nach dessen Bedürfnissen oder Eignung. „Ein Arbeits- oder Hütehund will arbeiten und aufpassen – das ist keine Frage der Erziehung, sondern der Veranlagung“, betont Weber. Wer das ignoriere, schade nicht nur dem Tier, sondern auch sich selbst.
Die Folge: überforderte Halter, verhaltensauffällige Hunde – und Tierheime am Limit. „Diese Tiere blockieren wertvolle Plätze für andere Notfälle, weil sie intensives Training und Betreuung brauchen“, so Weber.
Ein Appell an Züchter und Gesellschaft
Weber fordert ein Umdenken auf breiter Ebene – bei Züchtern, künftigen Haltern und in der Gesellschaft: „Wir müssen Hunde züchten und vermitteln, die sich in einer modernen, urbanen Gesellschaft integrieren lassen. Und wir brauchen mehr Aufklärung – vor allem vor der Anschaffung.“
Sein eindringlicher Appell: „Alle reden über die Verantwortung bei der Zucht und Anschaffung von Hunden, aber am Ende bleiben die Probleme an uns hängen.“