Drei Tage, 76 tote Schafe und Lämmer – was sich Mitte Mai auf der Nordseeinsel Sylt abspielte, wirkt wie das Drehbuch eines Thrillers. Die Inselbewohner rätselten: Was hat diese brutale Spur der Verwüstung hinterlassen?
Die Antwort ist überraschend – und alarmierend: Ein Canis aureus hat auf einer Weide bei Keitum zugeschlagen. Das in Deutschland seltene Raubtier, ursprünglich in Südasien und Südosteuropa beheimatet, ist damit zum ersten Mal in Schleswig-Holstein für ein derart massives Nutztierriss-Ereignis verantwortlich.
Die tödliche Bilanz: 76 Tiere in nur 72 Stunden
Zwischen dem 19. und 21. Mai fielen dem Canis aureus – besser bekannt als Goldschakal – auf Sylt insgesamt 76 Schafe und Lämmer zum Opfer. Ein DNA-Test bestätigte schließlich zweifelsfrei: Es war ein einzelnes Tier, das diese Angriffe ausführte. Besonders beunruhigend: Das Raubtier schlug innerhalb kürzester Zeit zu – immer in der Dämmerung, immer mit tödlicher Präzision.
Das Landesamt für Umwelt geht davon aus, dass es sich tatsächlich nur um ein einziges Tier handelt. Doch das reicht offenbar schon aus, um die Halter von Schafsherden in Angst und Schrecken zu versetzen.
Canis aureus auf Sylt – die Behörden reagieren
„Je mehr Schafe der Goldschakal reißt, desto größer ist der Schaden – auch für den Küstenschutz und die Deichsicherheit“, warnte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Bündnis 90/Die Grünen). Denn die Weidetiere sind nicht nur wirtschaftlich wichtig, sondern auch essenziell für die Pflege der Deiche.
Die Konsequenz: Schleswig-Holstein will eine Abschussgenehmigung für den Schakal vorbereiten. Doch das ist nicht so einfach.
Gesetzlich geschützt: Dennoch zum Abschuss freigegeben?
Der Goldschakal steht unter besonderem Schutz. Bevor er legal bejagt werden darf, müssen Naturschutzverbände angehört werden – sie haben nun Gelegenheit, sich schriftlich zu äußern. Erst danach kann der Kreis Nordfriesland handeln und den gezielten Abschuss durch einen Jäger anordnen.
Für den Schafhalter könnte es trotzdem bitter bleiben: Da seine Tiere auf offenem Deichland ohne vollständige Einzäunung standen, ist eine Entschädigung nicht garantiert. Bei über 500 Schafen auf zehn Kilometern Deichlinie sei ein vollständiger Zaun schlicht nicht umsetzbar, heißt es von den Behörden.
Die Politik steht unter Druck
Seit dem ersten Goldschakal-Nachweis in Schleswig-Holstein im Jahr 2017 wurden insgesamt acht Vorkommnisse gemeldet – allein fünf davon im aktuellen Berichtsjahr (Mai 2024 bis April 2025). Immer wieder tappt das Tier in Fotofallen. Die Sichtung vom 31. Mai in Wenningstedt gilt als der bisher letzte Hinweis.
Am 4. Juni will der Umweltausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags über den weiteren Umgang mit dem neuen Raubtier beraten. Klar ist: Der Canis aureus ist längst kein seltener Gast mehr – sondern auf dem besten Weg, sich in Norddeutschland dauerhaft anzusiedeln.

Goldschakale in Deutschland: Eine neue Ära beginnt
Was einst als zoologische Rarität galt, entwickelt sich nun zur Herausforderung für Landwirte, Jäger und Naturschützer. Der Goldschakal ist angekommen – und mit ihm eine Debatte, die Landwirtschaft, Tierschutz und Politik gleichermaßen betrifft.
Ob er bald wieder zuschlägt? Das bleibt offen. Doch die Insel ist gewarnt.