Orange Katzen fallen auf – nicht nur wegen ihrer leuchtenden Fellfarbe, sondern auch wegen ihres vermeintlich „anderen“ Wesens. Viele Katzenhalter schwören darauf, dass orange Samtpfoten freundlicher und mutiger sind als ihre Artgenossen. Außerdem sind die meisten orangefarbenen Katzen männlich.
Nun haben Wissenschaftler das Geheimnis gelüftet. Das Gen, das für die leuchtend orange bzw. rote Fellfarbe verantwortlich ist, hat weitreichende Auswirkungen – möglicherweise sogar auf den Charakter und das Verhalten dieser besonderen Tiere.
Das Rätsel der Fellfarbe: Zwei Studien lösen es gleichzeitig
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass die orange Fellfarbe bei Katzen auf dem X-Chromosom vererbt wird. Dennoch blieb das genaue Gen, das für die Farbe verantwortlich ist, ein Rätsel. Warum sind etwa 80 bis 90 Prozent der orangefarbenen Katzen männlich? Und warum scheinen sie sich so deutlich von anderen Katzen zu unterscheiden?
Zwei Forschungsteams – eines an der Stanford University in den USA, das andere an der Universität Kyushu in Japan – haben nun unabhängig voneinander die Antwort gefunden. Beide Studien entdeckten das Gen Arhgap36 als Schlüsselfaktor für die orange Fellfarbe.
Die Forscher untersuchten die RNA-Aktivität in den Hautzellen von orangefarbenen und nicht-orangefarbenen Katzen. Dabei fiel auf, dass die RNA in den Hautzellen von orangen Katzen etwa 13-mal aktiver war. Diese erhöhte Aktivität ließ sich auf das Gen Arhgap36 zurückführen, das auf dem X-Chromosom liegt.
Neben diesem Gen fanden die Wissenschaftler eine spezifische DNA-Deletion, die dafür sorgt, dass die Fellfarbe anderer Pigmente „überschrieben“ wird.
Warum orange Katzen fast immer männlich sind
Die Vererbung der Fellfarbe bei Katzen folgt den Regeln der X-Chromosomen: Männliche Katzen haben nur ein X-Chromosom, das sie von ihrer Mutter erben. Ist dieses Chromosom für die orange Farbe kodiert, wird der Kater orange. Weibliche Katzen hingegen haben zwei X-Chromosomen, wobei eines davon in bestimmten Bereichen des Körpers inaktiviert wird – ein Prozess, der für das charakteristische Patchwork-Muster von Schildpatt- bzw. Glückskatzen sorgt.
Die neue Entdeckung zeigt, dass das Gen Arhgap36 stärker exprimiert wird, wenn es von einem aktiven X-Chromosom stammt, was die hohe Durchsetzungskraft der orangefarbenen Fellfarbe erklärt.
Verändert das Gen auch den Charakter?
Ein faszinierender Aspekt der Forschung ist die Frage, ob das Gen Arhgap36 neben der Fellfarbe auch andere Eigenschaften beeinflusst. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass orangefarbene Katzen tatsächlich „anders ticken“. Das Gen hat Auswirkungen auf die Hormonproduktion und beeinflusst Gewebe wie den Hippocampus, die Hypophyse und die Nebenniere.
Eine Langzeitstudie aus Frankreich hatte zuvor beobachtet, dass orange Kater größer, selbstbewusster und dominanter sind als ihre Artgenossen. Diese neuen genetischen Erkenntnisse könnten diese Beobachtungen nun untermauern: Die erhöhte Hormonproduktion durch Arhgap36 könnte das Verhalten und den Körperbau der Katzen beeinflussen.
Warum orange Katzen keine gesundheitlichen Nachteile haben
Im Gegensatz zu Menschen, bei denen Mutationen im Arhgap36-Gen mit gesundheitlichen Problemen wie Schilddrüsenerkrankungen, Knochenveränderungen oder einem erhöhten Krebsrisiko verbunden sind, scheinen orange Katzen keine negativen Auswirkungen zu erleben.
Im Gegenteil: Das Gen beeinflusst ausschließlich die Pigmentproduktion und sorgt offenbar sogar für robuste Gesundheit. „Es ist erstaunlich, dass eine Deletion ein Gen aktiver macht, nicht weniger aktiv“, erklärt die Genetikerin Carolyn Brown von der Universität British Columbia. „Das macht Katzen wirklich einzigartig.“
Diese Ergebnisse zeigen, dass die Evolution bei Katzen eine faszinierende Balance gefunden hat – die Mutation macht die Tiere nicht nur optisch besonders, sondern bleibt auch ohne gesundheitliche Nachteile.
Was die Forschung noch herausfinden will
Mit der Identifizierung des Gens, das für die orange Farbe verantwortlich ist, steht die Wissenschaft erst am Anfang. Weitere Studien sollen untersuchen, wie Arhgap36 genau auf das Verhalten von Katzen wirkt. Zudem wollen Forscher herausfinden, wann und wo die Mutation erstmals aufgetreten ist.
Hinweise aus der Archäologie deuten darauf hin, dass bereits im alten Ägypten Mumien von orangefarbenen Katzen gefunden wurden.
Fazit: Orange Katzen sind wirklich einzigartig
Die Entdeckung des „orangen Gens“ hat nicht nur ein jahrzehntelanges Rätsel gelöst, sondern zeigt auch, wie besonders orange Katzen tatsächlich sind. Ihre Fellfarbe, ihr Charakter und ihr Verhalten sind ein faszinierendes Zusammenspiel genetischer und hormoneller Faktoren.
Die Wissenschaft hat gerade erst begonnen, die Tiefe dieser Zusammenhänge zu erforschen – und Katzenliebhaber dürfen sich freuen: Die orange Katze ist nicht nur schön, sondern höchstwahrscheinlich auch ein kleines genetisches Wunder.