Der Geruch, der aus dem unscheinbaren Wohnhaus in Neuss-Grefrath dringt, ist penetrant. Er ist so intensiv, dass die Anwohner beim Vorbeigehen regelrecht die Luft anhalten. „Die Dunstwolke ließ einen fast in Ohnmacht fallen“, beschreibt später ein Einsatzkraft die Situation.
Da die Bewohner des Hauses auf freundliche Hinweise nicht reagieren, informieren die besorgten Nachbarn schließlich die Behörden. Was zunächst wie ein gewöhnlicher Beschwerdefall aussieht, entpuppt sich als schreckliche Tragödie hinter verschlossenen Türen!
Veterinäramt macht erschütternde Entdeckung
Als die Mitarbeiter des Veterinäramts schließlich das Gebäude betreten, bietet sich ihnen ein Bild des Grauens. Mehr als 200 Tiere vegetieren unter katastrophalen Bedingungen in dem verwahrlosten Haus dahin. Die Lebensbedingungen sind so desolat, dass sofortige Maßnahmen eingeleitet werden.
132 Katzen, rund 40 Wellensittiche und Nymphensittiche, ein Hund sowie mehrere Aquarien voller Fische werden in dem Gebäude entdeckt. Viele der Tiere befinden sich in einem erbärmlichen Zustand, unterernährt und ohne angemessene medizinische Versorgung.
Alle Tiere müssen sofort aus dem Haus geholt werden. Das Gebäude selbst wird nach der Räumung versiegelt – ein deutliches Zeichen für die Schwere der vorgefundenen Zustände.
Zweitägiger Marathon-Einsatz fordert alle Kräfte
Was folgt, ist eine logistische Meisterleistung unter extremen Bedingungen. Die Sicherstellung von über 200 Tieren stellt selbst die erfahrenen Einsatzkräfte vor ungeahnte Herausforderungen. Allein das Einfangen, Kennzeichnen und Kastrieren der 132 Katzen gestaltet sich als Mammutaufgabe.
Besonders dramatisch wird die Situation, als sich herausstellt, dass sich einige der verängstigten Tiere tief in der Dachdämmung des Hauses verkrochen haben. Die örtliche Feuerwehr muss hinzugezogen werden, um die Tiere aus ihren Verstecken zu befreien. Der Einsatz zieht sich über zwei volle Tage hin. Ein Sinnbild für eine Tierhaltung, die komplett aus dem Ruder gelaufen ist.
Tierheime am Limit
Die geretteten Tiere wurden auf verschiedene Einrichtungen verteilt. Das Tierheim Bettikum nahm fast die Hälfte auf, obwohl dort die Kapazitäten längst überschritten waren.
Möglich wurde dies nur, weil viele Katzen aus derselben Gruppe stammten und gemeinsam untergebracht werden konnten. Auch das Tierheim Oekoven in Rommerskirchen beteiligte sich.
Beide Tierheime haben daher dringende Spendenaufrufe gestartet und bitten die Bevölkerung um Unterstützung. Nur mit zusätzlicher finanzieller Hilfe können sie gewährleisten, dass alle geretteten Tiere auch langfristig die Betreuung erhalten, die sie so dringend benötigen.
Sorge um Nachzügler
Um sicherzugehen, dass keine Tiere zurückbleiben, kontrollieren Mitarbeiter das Gebäude weiterhin regelmäßig. Mithilfe von Wärmebildkameras wird geprüft, ob sich noch Katzen oder Vögel in der Dämmung versteckt halten.
Das betroffene Ehepaar muss sämtliche Kosten des Einsatzes tragen – vom Einfangen über die tierärztliche Versorgung bis hin zur Desinfektion des Hauses.
Die Behörden stufen den Vorfall als einen der extremsten Fälle von Animal Hoarding ein, den die Region je erlebt hat. Wie es zu dieser dramatischen Situation kommen konnte und welche Umstände dazu führten, dass sich über 200 Tiere in diesem desolaten Zustand ansammelten, ist bislang noch Gegenstand der Ermittlungen.