Stell dir vor, du schaust einem Menschen in die Augen – und er sagt dir, dass er eigentlich kein Mensch, sondern ein Hund oder eine Katze ist. Oder auch ein Wolf, eine Fee oder ein Einhorn.
Klingt unglaublich? Für die Anhänger der Otherkin-Community ist das keineswegs eine Fantasie. Sie sind überzeugt, dass sie innerlich eigentlich gar keine Menschen, sondern Wesen anderer Art sind. Doch was steckt wirklich dahinter?
Wer oder was sind Otherkin?
Der Begriff „Otherkin“ setzt sich aus „other“ (anders) und „kin“ (Verwandtschaft) zusammen und beschreibt Menschen, die sich nicht vollständig als menschlich empfinden.
Otherkins glauben, eine tiefere Verbindung zu nicht-menschlichen Wesen zu haben – sei es in einer spirituellen, psychologischen oder metaphysischen Weise. Manche sehen sich als Tiere wie Wölfe oder Raubkatzen, andere als Fabelwesen wie Drachen, Elfen oder sogar außerirdische Entitäten.
Teilweise haben die Otherkins das Bedürfnis, sich wie ihr inneres Tier zu verkleiden oder sich entsprechend zu verhalten, wie etwa ein Japaner, der gerne ein lebensechtes Hundekostüm trägt, oder eine australische Lehrerin, die sich für eine Katze hält. Wenn sie „shiften“, also in die Rolle ihres inneren Wesens schlüpfen, kann es tatsächlich vorkommen, dass ein Hund- oder Katze-Otherkin sich an Bäumen oder Zweigen reibt, um den eigenen Duft zu verteilen.
Seit wann gibt es die Otherkin-Community?
Die Bewegung entstand in den 1990er-Jahren in Online-Foren und hat sich seitdem weltweit verbreitet. Besonders in sozialen Netzwerken und virtuellen Gemeinschaften tauschen sich Otherkin über ihre Identität aus und teilen ihre Erfahrungen.
Otherkin: Glauben oder Identität?
Otherkin behaupten nicht, physisch Tiere oder übernatürliche Wesen zu sein. Vielmehr empfinden sie tief in sich eine andere Natur, die oft mit starken Emotionen, Instinkten oder Erinnerungen verbunden ist.
Viele beschreiben intensive Träume, unbewusste Bewegungsmuster oder das Gefühl, „im falschen Körper“ geboren worden zu sein – ähnlich wie es Transgender-Personen erleben, jedoch in Bezug auf eine nicht-menschliche Identität.
Einige führen ihre Identität auf spirituelle Erlebnisse oder vergangene Leben zurück, während andere sie als eine psychologische Metapher für ihr inneres Wesen sehen.
Das sagen Fachleute über Otherkin
Das Otherkin-Phänomen wird von Psychologen und Soziologen unterschiedlich bewertet. Manche Experten sehen es als eine Form von Selbstausdruck oder als Bewältigungsstrategie für soziale Isolation und Identitätsfragen. Andere halten es für eine harmlose Subkultur, vergleichbar mit Cosplay oder Fantasy-Rollenspielen.
Kritiker bemängeln, dass es keine wissenschaftlichen Belege für eine nicht-menschliche Identität gibt. Dennoch berichten viele Otherkin, dass sie durch das Anerkennen ihrer Identität ein erfüllteres Leben führen.
Otherkin: Zwischen Realität und Mythos
Ob man an Otherkin glaubt oder nicht – das Phänomen wirft spannende Fragen auf. Was bedeutet es, Mensch zu sein? Wo liegen die Grenzen der Identität? Und wie wichtig ist es, sich selbst treu zu bleiben, auch wenn die Gesellschaft es nicht versteht?
Für die einen ist Otherkin eine faszinierende spirituelle Reise, für andere eine skurrile Randerscheinung des Internets. Doch eines ist sicher: Die Welt der Tiermenschen ist weit komplexer, als sie auf den ersten Blick scheint.
