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Warum war der Pawlowsche Hund so bedeutend?
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Warum war der Pawlowsche Hund so bedeutend?

von Philipp Hornung

am aktualisiert

Zu den berühmtesten Hunden der Forschung gehören neben Laika, dem ersten Hund im Weltall, die Hunde des russischen Nobelpreisträgers Iwan Pawlow. Wir erklären, was es mit dem berühmten Pawlowschen Experiment und seiner Bedeutung für die Wissenschaft sowie unseren Alltag auf sich hat.

Pawlow und seine Versuchshunde

Pawlow Statue

Pawlow-Statue in Russland
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Erdacht und durchgeführt hat das Experiment rund um den Pawlowschen Hund der Namensgeber Iwan Pawlow (1849-1936). Tatsächlich gab es nicht „den einen“, sondern Dutzende „Pawlowsche Hunde“. Pawlow hatte im Jahr 1904 den Nobelpreis für seine Erkenntnisse rund um Verdauungsprozesse gewonnen. Für seine Forschung dienten ihm Hunde als Versuchstiere. Per Zufall fiel dem Physiologen an den Hundezwingern etwas auf, das ihn zu einem weiteren Experiment inspirierte. Bekannt war, dass Hunde beim Fressen einen stärkeren Speichelfluss entwickeln – sie fangen an zu sabbern. Doch Pawlow fiel auf, dass die Hunde bereits einen stärkeren Speichelfluss entwickelten, wenn sich seine Mitarbeiter ihren Käfigen näherten. Die Hunde verbanden die herannahenden Schritte mit der Fütterung. Dies gab ihm die Idee für sein weltberühmtes Experiment.

Der Pawlowsche Reflex im Experiment

Hund hört Glöckchen und sabbert

Hund hört Glöckchen und sabbert
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Zuerst ließ Pawlow vor den Hunden eine Glocke klingeln. Das unbekannte Geräusch löste keinen Speichelfluss aus – es hatte keinerlei Bedeutung für die Vierbeiner. Dann ließ er die Glocke für einige Tage parallel zum Füttern klingeln.

Nach kurzer Zeit reichte das Geräusch der Glocke aus, um den Speichelfluss anzuregen.

Das Hundegehirn hatte die beiden Reize „Glocke“ und „Futter“ miteinander verbunden. Der Glockenton war nicht mehr neutral, sondern löste einen konditionierten Reflex aus. Diesen können die Tiere nicht mehr steuern. Diese Beobachtung nach dem Reiz-Reaktionsschema fasst die Verhaltensforschung heute als „klassische Konditionierung“ zusammen.

Was wissen wir über die Pawlowschen Hunde?

Hund aus Pawlow-Museum

Hund aus Pawlow-Museum in Sankt Petersburg
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Pawlows Hunde mögen berühmt gewesen sein – genutzt hat ihnen das nichts. Wie die meisten für Tierversuche verwendeten Tiere haben sie unter den Versuchen gelitten. Für seine Versuche rund um die Verdauung entnahm er Versuchshunden chirurgisch Teile der Verdauungsorgane und beobachtete, wie sich dies auswirkte. Eine qualvolle Prozedur für die Vierbeiner, die nach kurzer Zeit starben. Für die Versuche rund um die Konditionierung ließ Pawlow den Hunden in einer Operation Speichelauffangbehälter einpflanzen. Außerdem hat Pawlow nicht nur die berühmte „Glocke“ als Außenreiz für seine Verhaltensstudien eingesetzt. Er testete viele Reize. Dazu gehörten verschiedene Töne wie Pfeifen oder Metronome, aber auch Elektroschocks.

Schmerzhafte Elektroschocks setzte er beispielsweise in Kombination mit einem bestimmten Tonreiz ein.

Nach einigen Wiederholungen reichte der Ton aus, um dem Hund sichtliche Schmerzen zu verursachen. Weitere Studien zu unwillkürlichen Reaktionen auf Stress und Schmerzen bei Hunden haben zusätzlich dazu beigetragen, dass die Pawlowchen Hunde viel Leid durchmachen mussten. Der Philosoph Peter Sloterdijk bezeichnet Pawlow in der Zeit gar als „einen der größten Tierquäler der Menschheitsgeschichte.“

Der Pawlow-Hund und der Placebo-Effekt

Eine weitere bahnbrechende Beobachtung gelang Pawlow im Jahr 1927. Bei einer Versuchsreihe erhielt ein Vierbeiner regelmäßig eine Spritze mit Morphium, nach der der Hund sich übergeben musste. Pawlow stellt fest, dass der Vierbeiner sich ebenfalls übergab, wenn er lediglich eine Kochsalzlösung via Injektion bekam. Da Kochsalzlösungen keine körperlichen Reaktionen auslösen, bildet diese Beobachtung den Ausgangspunkt der modernen Placebo-Forschung.

Klassische Konditionierung – was bedeutet sie im Alltag?

Pawlow und seine Anhänger übertrugen bald alle Handlungen von Mensch und Tier auf die klassische Konditionierung und das Reiz-Reaktions-Schema. Die zugehörige philosophische Strömung nennt sich Behaviorismus. Willensfreiheit passt nicht zu diesem Konzept. Spätestens in den 70er Jahren konzentrierten sich Verhaltensforscher und Philosophen zunehmend auf den Kognitivismus, der individuellen Denkprozessen mehr Raum gibt. Dennoch nimmt klassische Konditionierung in der heutigen Verhaltensforschung sowie rund um Lerntheorien weiterhin eine wichtige Position ein. Erkenntnisse, die auf Pawlows Hunde-Versuchen basieren, sind hilfreich, um beispielsweise Phobien beim Menschen zu behandeln. Zu den gängigen Methoden zählen die Desensibilisierung oder die Gegenkonditionierung.

Konditionierung im Hunde-Training

Im Hunde-Training können wir uns die Erkenntnisse von Pawlow heute zunutze machen. Auch hierbei bedienen wir uns des klassischen Reiz-Reaktionsschemas, allerdings besteht meist ein Unterschied.

Es handelt sich beim Hundetraining vor allem um instrumentelle oder operante Konditionierung, was wir auch „Lernen am Erfolg“ nennen.

Woran können wir den Unterschied festmachen? Angenommen, wir belohnen den Hund immer dann, wenn er auf den Befehl „komm“ zu uns läuft, mit Futter. Irgendwann wird er „komm“ und das Futter miteinander verknüpfen und auch ohne den Anblick von Leckerlis zu uns eilen, wenn wir „komm“ rufen. Doch viele Hunde tun dies nur, wenn sie nichts Interessanteres vorhaben. Manche Hundebesitzer sehen ihren Gefährten regelrecht innerlich abwägen: Lohnt es sich, dem Ruf zu folgen oder buddle ich lieber weiter im Mauseloch? Wenn der Hund abwägen kann, handelt es sich um eine operante Konditionierung.

Wäre der Hund klassisch konditioniert, hätte er keine Entscheidungsfreiheit mehr.

„Komm“ lässt sich auch klassisch konditionieren. Hierfür muss der Hund das Signal jedoch an die 7.000 mal mit einer Belohnung wie Futter verknüpfen, bevor der Besitzer es das erste Mal als Befehl anwendet. Ob klassisch oder instrumentell: Das Reiz-Reaktions-Schema hilft in vielen Fällen weiter. Beispielsweise bei der entspannten Begegnung mit Artgenossen. Erhält ein zum Kläffen neigender Hund konsequent ein Leckerli, wenn er einen Artgenossen auf sich zukommen sieht, lernt er: „Andere Hunde bedeuten, ich bekomme etwas Leckeres!“ Durch diese Gegenkonditionierung verbindet er die Begegnung mit etwas Positivem.

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